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AutorenbildMaximilian Sternhardt

Die Geschichte der Osteopathie

Aktualisiert: 7. Nov. 2022

Im 19. Jahrhundert gab es eine Reihe revolutionärer Entdeckungen in der Medizin.

Entwicklungen wie die Zelltheorie, die Durchsetzung der Idee von Pathogenen als Krankheitserreger und nicht zuletzt auch Durchbrüche bei der Impfstoffentwicklung bedeuteten riesige Fortschritte bei der Bekämpfung von Infektionskrankheiten und einer Reihe weiterer Erkrankungen.


Andererseits veränderte der Fokus auf Pathogene und der Blick mit der Lupe auf Details des menschlichen Körpers auch die medizinische Sicht auf den Menschen nachhaltig: Der Mensch wurde im Kontext von Krankheiten zunehmend weniger ganzheitlich wahrgenommen. Stattdessen lag das Augenmerk auf einzelnen pathogenen Faktoren, die für sich allein als Krankheitsursache angesehen wurden.


Genau hier beginnt die Geschichte der Osteopathie.


Die Vision von Dr. Still


Die Osteopathie betrachtet stets den Menschen in seiner Gesamtheit und stellt ihn in den Mittelpunkt der Behandlung.


Der amerikanische Arzt Dr. Andrew Taylor Still war der Gründervater der Osteopathie.

Er war davon überzeugt, dass der menschliche Körper alle nötigen Mittel hat, um mit Krankheiten allein fertig zu werden. Ziel des Mediziners sollte es sein, den Körper wieder in den Zustand zurückzuversetzen, in dem er sein eigenes Potenzial voll entfalten kann.


Sein Motto: „Find it, fix it, leave it.”


Von zentraler Wichtigkeit für ihn war dabei das muskuloskelettale System, weswegen er seine Erkenntnisse unter dem Begriff Osteopathie (von „osteon“ = Knochen und „pathos“ = Krankheit) zusammenfasste. Sie bilden auch heute noch die zentralen Bestandteile der osteopathischen Lehre. Er sah den Bewegungsapparat als zugänglichen Ort für manuelle Therapie, von dem aus auch Einfluss auf alle weiteren Systeme des Körpers ausgeübt werden kann.


Der Öffentlichkeit präsentierte Dr. Still seine Thesen das erste Mal im Jahr 1874. Knapp zwanzig Jahre später, im Jahr 1892, gründete er in Kirksville, Missouri, die American School of Osteopathy (heute das Kirksville College of Osteopathic Medicine).


In den USA nimmt die Erfolgsgeschichte ihren Lauf


Dr. Still fand mit seiner Osteopathie bei der US-amerikanischen Bevölkerung schnell Anklang. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurden seine Thesen in den Vereinigten Staaten immer weiter anerkannt. Mehr und mehr Studenten ließen sich in seinen Theorien ausbilden, was auch mit der stetig wachsenden Zahl an ausbildenden Hochschulen zusammenhängt.


Nicht alle waren mit dieser Entwicklung einverstanden: Zahlreiche Schulmediziner versuchten, die Verbreitung der Osteopathie zu stoppen. Dieser Streit wurde erst in den 1960er-Jahren beigelegt.


Seitdem wird die Osteopathie in den USA als Teil eines voll integrierten Medizinstudiengangs angeboten. Praktizierende Osteopathen sind Ärzten gleichgestellt und dürfen so unter anderem auch in Krankenhäusern arbeiten und an Patienten operieren.


Die Osteopathie schwappt nach Europa


Der Erste, der die Osteopathie aktiv in Europa vorantrieb, war der Brite Dr. John Martin Littlejohn, ein Schüler von Dr. Still. Er gründete im Jahr 1917 in London die bis heute existierende British School of Osteopathy.


Von dort aus verbreitete sich die Osteopathie in weitere europäische Länder. In diese Zeit fällt auch eine der größten Entwicklungen der Osteopathie, als 1939 der Amerikaner Dr. William Garner Sutherland mit seinen Forschungen am menschlichen Schädel die Grundlagen für die Cranio-Sakrale Osteopathie schuf, die heute eine der drei Säulen der Lehre ist.


Heute ist der Beruf des Osteopathen in England rechtlich vollständig anerkannt, auch in Frankreich wird die Osteopathie offiziell als Form der Medizin angesehen. So kam es auch, dass in Frankreich im Laufe der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Grundlagen der viszeralen Osteopathie entwickelt wurden, die sich mit den inneren Organen beschäftigt.


Praktiziert wird die Osteopathie zusätzlich in vielen weiteren Ländern auf dem europäischen Kontinent.


Die Geschichte der Osteopathie in Deutschland


In Deutschland hat sich die Osteopathie erst spät durchgesetzt. Zwar praktizierten einzelne Mediziner sie bereits seit den 50er-Jahren, doch erste systematische Anstrengungen zur Vernetzung und Bildung von Organisationen für Lehre und Verbandsarbeit gab es hierzulande erst in den späten 80ern.


Dabei waren es vor allem Osteopathie-Schulen in Frankreich und Belgien, die mit neugegründeten deutschen Ablegern die öffentliche Wahrnehmung der Lehre schlagartig vergrößerten. Mittlerweile gibt es in Deutschland ca. 20 Schulen an 70 verschiedenen Standorten, wobei Osteopathie meistens berufsbegleitend gelehrt wird.

Es gibt heute zahlreiche Anstrengungen, die Osteopathie weiter zu akademisieren, etwa durch Vollzeitstudiengänge.


Das größte Problem, das die Osteopathie in Deutschland jedoch weiterhin zurückhält, ist der fehlende rechtliche Status. Weder das Berufsbild noch die Ausbildung sind gesetzlich geregelt. Verbände wie der Verband der Osteopathen Deutschland bemühen sich daher darum, für Praktizierende angemessene Rahmen zu schaffen, um die Situation insbesondere für Patienten langfristig zu verbessern. So muss ein Osteopath für eine Verbandsmitgliedschaft üblicherweise nachweisen, dass seine Ausbildung Qualitätsstandards erfüllt.

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